Wenn die Furcht dir die Luft zum Atmen nimmt

Panik
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Das ist die Gewinnergeschichte aus unserem Homöopathie Wettbewerb von Samira. Sie gewinnt einen 100 Euro Bonus. Wer weiß um welches Mittel es sich handelt?

Sieglinde sitzt immer noch in ihrem Büro am Schreibtisch. Sie schaut durch die geschlossene Glastür in den Vorraum, wo alle ihre Kollegen ihre Schreibtische haben. Der Vorraum ist nach dem Vorbild der offenen amerikanischen Büros gestaltet, so dass viele Mitarbeiter in einem Raum arbeiten, aber durch Trennwände doch eine Art privaten Arbeitsplatz haben. Für Sieglinde ist das gar nichts. Sie findet das sieht alles so unordentlich aus, zu viel Chaos…doch jetzt ist es da ruhig, dunkel und verlassen.
Ach ja, denkt Sieglinde, klar, es ist ja schon spät, die haben ja schon lange Feierabend. Eigentlich hätte den Sieglinde auch schon längst gehabt, jedoch wollte sie unbedingt noch den Bericht fertig schreiben bevor sie in den Feierabend geht. Außerdem wollte sie ungern Arbeit mit nach Hause nehmen. Zu Hause ist die Familie und die ist viel zu wichtig, als dass Sieglinde die Familie wegen ihrer Arbeit zu Hause auch noch vernachlässigt. Ist denn nicht die Familie das wichtigste was man hat? Worum man sich kümmern muss und für die man da sein muss? Während Sieglinde so das sitzt und in ihren Gedanken versunken ist, merkt sie, wie trocken ihr Mund eigentlich ist. Sie nimmt ein paar Schluck Wasser. Oh man, ein richtig schöner warmer Tee wäre jetzt genau das Richtige, schießt es plötzlich Sieglinde in den Kopf. Sie leckt mit ihrer Zunge vor lauter Genuss an den Gedanken Tee über die Lippen.
Autsch, das tat weh…ach ja, diese blöden Mundwinkel sind ja eingerissen. Wie konnte sie das nur vergessen?? Der Schmerz riss sie aus ihren Gedanken und ihr Blick fiel wieder in den dunklen und stillen Vorraum. Ihr Herz fängt an stärker zu schlagen und eine Eiseskälte läuft ihr den Rücken herunter. Oh man…warum bin ich nicht eher gegangen? Warum jetzt, wo alles dunkel ist? Wo es nachts ist? Sie fühlt wie ihr Rücken immer kälter wird vor lauter Angst, ihre Hände zittern. Sie steht auf und geht ein paar Schritte auf die Glastür zu…oh mein Gott ist das dunkel…wenn doch nur jemand da wäre…Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust, denn die Kälte, die sie spürt, lässt sie frieren und zittern. Ob ich zu Hause anrufen soll? Vielleicht kann mich ja mein Bruder abholen? Er macht mir dann Licht und es wäre nicht mehr dunkel? Und ich wäre nciht mehr allein. “Ach ne, nicht so eine gute Idee.” und damit verwirft Sieglinde diesen Gedanken auch wieder.
Sie geht zurück zu ihrem Schreibtisch und lässt sich in ihren bequemen Stuhl fallen. Sie hat das Gefühl, dass jemand ihre Brust zuschnürt. Ist da jemand? Erschrocken dreht sie sich um, aber da ist niemand. Ihr Herz rast jetzt vor lauter Aufregung. Ihre Atmung wird immer kürzer und flacher. Das Band, dass ihr jemand um die Brust gelegt hat wird immer enger…und enger…Sie bekommt kaum noch Luft und schnappt wie ein Fisch, den man aus dem Wasser geangelt hat und nun im Eimer liegt nach Luft…verzweifelt und unermüdlich…ein Kampf auf Leben und Tod. Wie in Trance öffnet Sieglinde ihre Schreibtischschublade. In ihrer Schublade liegen Bleistifte gerade nebeneinander, alle gespitzt, daneben farbige Notizzettel und in kleinen viereckigen Dosen befinden sich Gummis, Heftzwecken, Magnete, Textmarker. Alles hat seinen Platz, nichts ist in der Schublade dem Zufall überlassen. Sie greift hinter die Dose mit den Heftzwecken und zieht mit zittrigen kalten Fingern ihr Asthmaspray hervor. Schnell setzt sie es an den Mund und pumpt den ersten Sprühstoß…und dann … den zweiten.
Sieglinde merkt, wie das festgezogene Band um ihre Brust sich lockert. Sie fühlt sich ein wenig erleichtert. Doch die Angst beim Anblick des dunklen Vorraums ist immer noch da…soll sie nicht doch jemanden anrufen? Mit zittrigen Händen legt sie ihr Spray wieder zurück an seinen Platz. Dann schaut sie kurz über ihren Schreibtisch und beim Anblick der Ordnung fühlt sie sich gleich etwas besser. Alles hat seinen Platz, nun muss sie nur noch ihren Laptop einpacken und dann ist auch wieder ihr Schreibtisch perfekt. Sowieso ist ihr Büro eines der ordentlichsten vom ganzen Team. Schlimm wie es bei so manchen aussieht. Da liegen die Stifte einfach so herum, lauter Notizzettel, Brotdosen, Handy, Schmuck, Temps, alles eben liegt auf den Schreibtischen ihrer Mitarbeiter. Ganz unverständlich für Sieglinde. Es muss doch alles seine Ordnung haben, seinen Platz, sonst verliert man sich doch, oder nicht?
Ihre Augen huschen über die Schreibtische im Vorraum. Diese Unordnung ihrer Mitarbeiter kann sie gar nicht nachvollziehen. Und dann immer der alberne Satz ihrer Mitarbeiter, wenn sie ihnen Tipps zum Organisieren gibt: “Ach Sieglinde! Willste wieder für Ordnung sorgen? Aber du weißt ja: Nur ein Genie beherrscht sein Chaos!”
So was Blödes, wenn sie nicht so ordentlich und gewissenhaft wäre, hätte sie es niemals zu diesem Posten gebracht.
Sieglinde steht auf und zieht sich ihren Wintermantel über. So, denkt sie sich, auf gehts nach Hause zur Familie. Ein wenig Bange ist ihr aber immer noch und auch ihre Hände zittern noch, als sie die Türklinke aufdrückt. Langsam öffnet sie die Glastür und geht durch den dunklen Vorraum. Schritt für Schritt…ihr Herz fängt wieder an zu rasen, sie fühlt den Puls bis in den Hals. Eiskalt ist ihr, trotz des Wintermantels.
Schritt für Schritt schleicht sie langsam durch den dunklen Vorraum.
Wo ist verdammt nochmal der Lichtschalter?
Plötzlich taucht genau vor ihren Augen eine Karkalake auf. Ihre riesigen Fühler wedeln hin und her. Sieglinde schreit vor Entsetzen auf. Eine Karkalake im Büro? Wieder fühlt sie das beengende Band um ihre Brust. Es wird enger und enger und da sind immer mehr Karkalaken…immer mehr und das Band zieht sich noch enger.
“Ich bekomme keine Luft”, sie schreit vor Angst und weiß nicht, wo sie hintreten soll, denn der ganze Vorraum ist nun voll von diesen ekelhaften großen Käfern und es werden immer  mehr.Sie sind überall: auf dem Boden, auf den Drehstühlen, auf den Trennwänden, auf den Schreibtischen und überall sieht sie diese langen Antennen hin und her wedeln.
“Hilfe”. Sieglinde schnappt nach Luft, aber es passt keine mehr in ihre Brust, das Band ist zu eng. Es ist aus, sie wird sterben, ganz alleine, hier im Dunkeln. Sieglinde fühlt eine Todesangst in ihrem Inneren.
“Hilfe, mir ist kalt, Hilfe. Ich bekomme keine Luft”, schreit sie immer wieder und in ihrer Panik versucht mit ihren Händen die Käfer zu fangen und wegzuschmeißen, um sich einen Weg zurück in ihr Büro zu bahnen.
Sie will wieder in ihr Büro, zu ihrer Ordnung, zu ihrer Sicherheit, zu ihrem Asthmaspray…doch diese Käfer sind immer wieder da und versperren ihr den Weg…”Hilfe…ich ersticke…” Das Band ist nun so fest, dass Sieglinde gar keine Luft mehr bekommt. Vor lauter Erschöpfung geht sie in die Knie. Sie öffnet ihren Mund ganz weit, ihre Mundwinkel reißen von Neuem ein, sie fühlt den Schmerz durch den ganzen Körper hindurch brennen, wie ein Feuer…mit weit geöffnetem Mund versucht sie Luft zu schnappen…doch es geht nicht…

Sieglinde öffnet die Augen. Sie schaut auf eine weiße Decke,von der mittig ein roter Lampenschirm herunter hängt. Ihre Augen huschen durch den Raum. Es sieht aus wie ihr eigenes Zimmer im Familienhaus. Plötzlich fällt ihr jemand auf, der an der rechten Seite ihres Bettes sitzt und ihre Hand hält.
“Hallo Sieglinde, wie geht es dir?” Sieglinde erkennt ihre beste Freundin und zugleich Homöopathin. Und ein Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht. “Du hattest mich angerufen und was von Käfern und einem Band um deiner Brust geschrien und dass ich sofort kommen soll. Und an deiner Telefonnummer erkannte ich, dass du noch im Büro warst. Da habe ich dich dann gefunden.” “Danke”, sagte Sieglinde, immer noch sehr erschöpft. Ihre Mutter kam gerade zur Tür herein, sie blickt liebevoll auf ihre große Tochter und sagte: “Dass so ein paar Globulis helfen können, ist für mich jedesmal ein Wunder.”

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